Vor 50 Jahren waren Politik und Gesellschaft noch einfach; es gab links und rechts! Früher waren die Arbeiter links und die Unternehmer rechts. Die Linken waren gegen die USA und die
Rechten dafür. Höhere Sozialleistungen waren links, niedrigere Steuern rechts. Die Linken waren gegen die Religion und ihre Moralvorstellungen, die Rechten waren dafür. International war
links, national rechts. Sexuelle Freizügigkeit war links, Prüderie rechts. Linke wollten das Neue, Rechte das Alte.
Das änderte sich schon, als um 1970 die verwöhnten Bürgerkinder an den Universitäten (so sah es z.B. Helmut Schmidt) links sein und den Arbeitern etwas von Mao erzählen wollten. Jetzt
wurde die Ablehnung der modernen Atomenergie links. 1979 forderten die Ajatollahs mit der islamischen Revolution im Iran die USA heraus, waren die nun links, wo doch die Religion sonst
rechts war? Auf jeden Fall verschwand die sexuelle Freizügigkeit im Iran unter dem Kopftuch. Prüderie wurde bald aber auch von linken Feministinnen vertreten. Die Linken sind heute
Globalisierungsgegner (national?), die Unternehmer wollen den freien Welthandel (international?). Das Links-Rechts-Schema geriet ins Wanken. Es steht immer mehr unter Druck, je stärker
die klassischen Industriearbeiter durch Maschinen ersetzt werden und die Arbeiterklasse des 19. und 20. Jahrhunderts ausstirbt.
Inzwischen muss man immer stärker berücksichtigen, dass es neben links und rechts noch oben und unten, vorn und hinten gibt. Hinten im Fernsehsessel (weit weg) findet man die Windenergie
gut, vorn im Garten (nah dran), wenn die Windräder auf dem Nachbargrundstück stehen, findet man sie schlecht. In der Silvesternacht 2015 waren die Frauen vor dem Kölner Dom nah dran, Frau
Merkel war weit weg. Links oben im gemütlichen Eigenheim eines Bildungsbürgers (vor 30 Jahren ein revolutionärer Student) ist die Zuwanderung eine Bereicherung, links unten bei
gewerkschaftlich aktiven Geringverdienern (so etwas soll es noch geben) erkennt man, dass mit ihr die Konkurrenz um bezahlbare Wohnungen noch brutaler wird.
Ein klassischer Linker, der seine Meinungen und Positionen wie vor 50 Jahren beschreibt, wird von der LINKEN nicht vertreten. Bei der letzten österreichischen Präsidentenwahl wählten die
Arbeiter den rechten und das Bürgertum den linken Kandidaten. „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ war einst die Losung der Linken. Heute pöbeln die Proleten mit der Bierdose in
der Hand Ausländer an, die Proletarier aus anderen Ländern. Anders als nach 1930, als die NDSAP ihre Wähler aus verelendeten Kleinbürgern rekrutierte und in der Arbeiterschaft die SPD nur
an die KPD Wähler verlor, wandern jetzt Arbeiter zu der sich konservativ und unternehmerfreundlich definierenden AfD. In der SPD bleiben noch überwiegend Beamte des höheren Dienstes, die
wie einst die Mehrheit der SED-Mitglieder mit dem richtigen Parteibuch Karriere machen wollen.
Die alt-Linken erinnern sich noch gut an das Verhalten der öffentlich-rechtlichen Medien, die seinerzeit noch fest im Griff von SPD, FDP und CDU waren. Z.B. wurde die Friedensbewegung ab
1980 erst totgeschwiegen, dann diffamiert und schließlich in der Berichterstattung wie ein exotisches Phänomen behandelt. Dieses Bild wurde dann nahtlos auf die Grünen übertragen. Die PDS
hat später die gleichen Erfahrungen gemacht. Trotz allem Verständnis für die AfD, die sich jetzt (viel schwächer als damals) in der Opfer-Rolle sieht, sollte man nicht in die
Lügenpresse-Rufe einstimmen. Trotzdem kann man nach den Erfahrungen von damals feststellen, dass noch immer ein Teil der Realität von den etablierten Medien verschwiegen wird.