Bei dem Wort Guantánamo denkt man in Europa an das Gefangenenlager der USA auf ihrer Marinebasis und nicht an die Stadt im Osten Kubas und auch nicht an das Lied Guantanamera (Frau aus
Guantánamo). Mit der Niederlage im spanisch-amerikanischen Krieg von 1898 musste Spanien Kuba, Puerto Rico, ihren Teil der Jungferninseln, die Philippinen und Guam an die USA abtreten. Weil es
aber schon unter den Spaniern eine Unabhängigkeitsbewegung gab, wurde nach Kriegsende eine verfassunggebende Versammlung einberufen und die Gründung einer Republik Kuba vorbereitet. Vier Tage
nach der Schlussabstimmung über die Verfassung wurde das nach dem Senator Orville Patt benannte Patt-Amendment als Änderung zum Gesetz über die Unabhängigkeit Kubas in den Senat eingebracht und
weitere 4 Tage danach vom Repräsentantenhaus bestätigt. Darin sollte Kuba in einem Anhang zur Verfassung den USA ein militärisches Interventionsrecht einräumen und ihnen Militärstützpunkte
gewähren. Dies wurde von der verfassunggebenden Versammlung zunächst mit einer Mehrheit von 24 : 2 Stimmen abgelehnt. Nach massivem Druck der USA gab es aber schließlich mehr als 3 Monate später
eine Mehrheit von 16 : 11 Stimmen für die Verfassung mit eingeschränkter Souveränität. Die Republik Kuba war praktisch ein Protektorat der USA; allerdings wurden auch die Philippinen erst 1946
unabhängig, Puerto Rico, Guam und die US-Jungferninseln sind noch heute Außengebiete der USA. Auf dieser Grundlage wurde Kuba der Pachtvertrag vom 23.02.1903 über die Bucht von Guantánamo
aufgezwungen.
1934 wurde unter Präsident Roosevelt und Kubas Militär-Machthaber Batista der Vertrag über die Beziehungen zwischen den USA und Kuba aufgehoben und das Patt-Amendment aus der kubanischen
Verfassung gestrichen. Die USA gaben ihre Rechte und alle übrigen Militäreinrichtungen auf Kuba auf; der Pachtvertrag über den Stützpunkt Guantánamo, der eine einseitige Kündigung ausschließt,
wurde aber erneuert.
Über die Gültigkeit des Vertrages haben die USA und Kuba unterschiedliche Rechtsauffassungen. Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages kommt in seinem Gutachten „Der Pachtvertrag
zwischen Kuba und den USA über Guantánamo“ zu dem Ergebnis, dass das Patt-Amendment gegen Art. 48-52 des Wiener Übereinkommen über das Recht der völkerrechtlichen Verträge (WÜV) verstoßen hat und
der Pachtvertrag damit von Kuba angefochten werden kann. Zu dieser Zeit wurden aber viele ähnliche spätkoloniale Verträge geschlossen (z.B. Hongkong 1889, Macao 1887, Panama-Kanal 1904), die
international als gültig anerkannt wurden. Im Übrigen wurde der Vertrag von 1903 31 Jahre später erneuert. Auch wenn man von der Nichtigkeit des Vertrags von 1903 ausgeht, kann der Vertrag von
1934 zu einem neuen Vertrag uminterpretiert werden. Natürlich kann man einwenden, dass es ohne den anfechtbaren Pachtvertrag von 1903 auch keine Änderung von 1934 gegeben hätte. Ohne die
Besetzung Kubas durch die Spanier im 16. Jahrhundert, die aus heutiger Sicht auch illegal war, hätte es aber auch keine Republik Kuba gegeben. Man kann die Probleme der Zukunft nicht lösen, wenn
man nur in die Vergangenheit schaut!
Interessant ist aber Art. II des Pachtvertrages, wonach die USA das Gebiet „ausschließlich als Bunkerstation und Marinebasis“ (for coaling and naval purpose, and for no other purpose) nutzen
dürfen. Gegen diese Bestimmung verstoßen die USA allerdings mit der Einrichtung des Gefangenenlagers. „Art. 60 Abs. 1 WÜV sieht eine Vertragsbeendigung als Reaktion auf einen erheblichen
Vertragsverstoß einer anderen Vertragspartei vor.“ (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Der Pachtvertrag zwischen Kuba und den USA über Guantánamo, S. 10,
https://www.bundestag.de/blob/414966/6b997a7f4e7eb5575c16bdef9804a515/wd-2-135-06-pdf-data.pdf) Der Verstoß ist auch erheblich, weil hier massive Menschenrechtsverletzungen begangen werden, die
die Republik Kuba auf ihrem Hoheitsgebiet nicht dulden muss. Dass es sich bei dem Stützpunkt um einen Teil Kubas handelt, wurde auch im Pachtvertrag ausdrücklich bestätigt.
Mindestens aus diesem Grund ist der US-Stützpunkt auf Kuba illegal. Die kubanische Regierung müsste aber die Regierung der USA zur sofortigen Schließung des Gefangenenlagers – vielleicht mit
einer Frist von einem Monat – auffordern und anschließend den Pachtvertrag (dass man ihn sowieso für nichtig hält kann bekräftigt werden) aus wichtigem Grund kündigen und die Räumung der gesamten
Bucht fordern. Danach kann sie die Regierung der USA vor einem US-amerikanischen Gericht auf Räumung verklagen.
Eine Räumungsklage könnte für die Regierung der USA politisch sehr peinlich werden. Für das Lager wurde der Standort Guantánamo-Bucht gewählt, damit die US-amerikanischen Gerichte nicht zuständig
sind. Für eine Räumungsklage sind sie aber zu-ständig, und zum Nachweis der schweren Vertragsverletzung kann eine genaue Beweiser-hebung durchgeführt werden. Dann könnte die Regierung der USA dem
Verfahren nur noch mit einer freiwilligen Rückgabe des Stützpunktes an Kuba ausweichen. Dann würde auch das Folterlager schnell geschlossen.
Quellen:
Pedro Antonio García, Platt Amendment. Das Protektorat als Republik verkleidet, http://de.granma.cu/cuba/2017-03-02/platt-amendment-das-protektorat-als-republik-verkleidet
Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Der Pachtvertrag zwischen Kuba und den USA über Guantánamo,
https://www.bundestag.de/blob/414966/6b997a7f4e7eb5575c16bdef9804a515/wd-2-135-06-pdf-data.pdf
Alfred de Zayas, die amerikanische Besetzung von Guantánamo, Institut für Rechtspolitik der Universität Trier, 2005, S. 1, https://www.uni-trier.de/fileadmin/fb5/inst/IRP/
Rechtspolitisches_Forum/28_deZayas_EBook_geschuetzt.pdf